11. Mai 2009

Beseelt...

Ja, so erscheinen mir "Svens Lichtung" und das Torp, wenn ich hier an Bord meine Gedanken dorthin schweifen lasse. In nicht einmal drei Wochen werde ich wieder dort sein.
- Wie ich schon einmal geschrieben habe, Wasser und Wald beginnen zu erzählen, wenn Herz und Ohren dafür offen sind. So hat mir meine Quelle am Ende der Wiese eine Geschichte an Bord geschickt genau zu dem Zeitpunkt, als ich gerade meine Gedanken niedergeschrieben hatte und mir alles wie ein Traum vorkommt. 
Und ich täusche mich nicht, es die selbe Stimme ist, welche mir damals die Geschichte von meinem Weg erzählt hat. 
- Es ist eine lange Geschichte, die ich hier auf russische „Babuschka-Art“ in Fortsetzungen weitererzähle: Puppe in der Puppe, in der Puppe, in der Puppe – inspiriert wohl da St. Petersburg unser Lasthafen ist.
- Und so lautet die Geschichte, die mir zugetragen wurde und hier kommt der erste Teil von der

"Geschichte von den drei Zaubergaben"
Wie die Quellfrau ins "Källdal" kam.

- Auf dem Meeresgrund lebte einst eine liebreizende Wasserfrau mit großen, grünen Mandelaugen und schwarzen Locken. Mehr noch als ihre geschmeidige Gestalt lockten ihre Weisheit, ihr heiterer Witz und ihre Herzensgüte; sie fühlte mit jedem Geschöpf. In Vollmondnächten tauchte sie an die Oberfläche, wo ein Fluss mit raschem Wellengekräusel sich ins Meer ergoss und sang mit glockendunkler Stimme. Selbst der spottlustigste Fischer ließ dann einen Augenblick die Ruder ruhen und wischte sich verstohlen über die Augen, weil das Herz leicht, die Gedanken friedlich wurden. So kam es wie es kommen musste: der Wassermann im Fluss und die Nixe verliebten sich ineinander und beider Glück strahlte auf die ganze Gegend aus, auch wenn die Menschen nicht zu sagen wussten, was eigentlich jene Bucht so verzauberte.

- Doch die Zeiten änderten sich. Unmerklich erst, dann immer schneller. Die Menschen fingen mehr und mehr Fische, viel mehr als sie selbst essen und räuchern konnten für den Winter. Die Boote wurden zu Schiffen, die Schiffe immer größer, schließlich waren es schwimmende Fischfabriken. An Land entstanden ebenfalls Fabriken; Hafenanlagen und Straßen wurden gebaut, um die Fischkonserven rasch in alle Welt zu liefern. Das schmutzige Wasser roch faulig. Der Fluss, in Hochwassermauern gezwängt und kanalisiert, vermengte sich träge mit dem Meerwasser. Die Ufer versumpften. Die Menschen hatten kaum mehr Zeit und Lust dort spazieren zu gehen und in die Ferne zu träumen. Selbst an Feiertagen nicht. Sie arbeiteten immer mehr, immer schneller und wenn sie nicht arbeiteten, waren sie müde, unruhig, gereizt, stritten sich und konnten ihre mittlerweile reich ausgestatteten Häuser gar nicht recht genießen, oft nicht schlafen wegen des Lärms. Dann stellten sie die Radiomusik noch lauter, dass es bis aufs Meer hinaus schallte. Längst verhöhnten die Erwachsenen jene, die noch die Geschichte vom mondverzauberten Gesang der Nixe erzählten, und bald verloren auch die Kinder den Glauben daran.
- So sang sie nur noch leise weit draußen auf dem Meer für ihren innig geliebten Wassermann. Sie sang voll Trauer über alles, was die Menschen dem Wasser antaten und allem, was darin lebte oder eben bald nicht mehr lebte, sondern zugrunde ging. Sie sang lockend, um die Menschen zur Besinnung zu bringen. Sie sang bis zu jenem Tag, als der Wassermann in ein Schleppnetz geriet, erdrückt, mit dem Fang an Bord gezogen und dann mit den Fischabfällen vernichtet wurde. Da verstummte die Wasserfrau, die alles  hilflos hatte mitansehen müssen, und floh in wütendem Entsetzen aus der Bucht, flussaufwärts, weiter über viele Rinnsale und unterirdische Wasseradern - fort, nur fort von den Menschen. In einem stillen Waldtal tauchte sie empor in einer kleinen Quelle.
- Fast wollte sie weiter fliehen, als sie kleine Häuser sah. Auch hier wieder Menschen, diese furchtbaren, todbringenden, gierigen Menschen. Aber ehe sie verschwinden konnte, kam ein Mädchen. Leise singend beugte es sich zur Quelle und füllte bedachtsam, um keinen Tropfen zu verschütten, ihre Eimer. Das ließ die Wasserfrau Mut schöpfen und sie beschloss in dieser kleinen Quelle wenigstens zu rasten. Das Mädchen kam jeden Tag, meist fröhlich summend. So fasste die Wasserfrau schließlich Vertrauen, blieb und wenn sie auch nicht mehr singen konnte wie früher, weil ihr Herz verdüstert war, ihr belebender Zauber begann allmählich wieder zu wirken. Die Menschen im Källdalen spürten ihn, wenn sie das Brunnenwasser tranken.
- Als später die Torps verfielen, kümmerte das die Wasserfrau wenig. Längst war ihr das Schweigen selbstverständlich geworden. Erinnerungen an die alten Lieder weckten nur den Schmerz. Sie sorgte dafür, daß die Quelle nicht versiegte und saß an hellen Tagen am Rand und betrachtete das tiefe Blau des runden Wasserspiegels. Mit der gemauerten Steinfassung war es wirklich ein Spiegel für das Schattenspiel der Zweige und ziehenden Wolken. Ängstlich vermied die Quellfrau, ihr Gesicht  im Wasser zu spiegeln, machte sie sich doch quälende Vorwürfe. Hatte nicht ihre Schönheit den Wassermann ins Meer und in den Tod gelockt? Ja, sie verfluchte ihr Spiegelbild und weinte oft. Lange saß sie dann an die alte Eiche gelehnt, den Wächterbaum der Quelle, hörte das tröstliche Rauschen. Unter dem Schattendach der mächtigen Krone fühlte sich die Quellfrau geborgen, es flößte Ruhe, Vertrauen und Sicherheit ein, wiegte ihre Gedanken wie einst die Wellen in den Meeresnächten.
- Wie es weitergeht? 

-  Warten wir es ab!
***

Keine Kommentare: