
29. Oktober 2009
Zeitiges

22. Oktober 2009
Die dritte Erzählung
- Er schaute nur mehr und in der Morgendämmerung sah er ihn wieder um die Wegbiegung kommen, den Mensch in der blauen Jacke und der blauen Hose. Nicht mehr eckig und fahrig waren seine Bewegungen, sondern ruhig und zielstrebig, Sie setzten sich auf die Bank, langsam wurde es heller auf der Lichtung, ein neuer Tag. Der Gast bat um ein Glas Quellwasser, trank bedächtig, Schluck für Schluck und begann zu erzählen:
- „Immer wieder hat es mich an diesen guten Ort gezogen. Oft ist mir jemand auf dem Weg hier herauf begegnet. Sie haben mir anvertraut, daß sie sich nicht auf die Lichtung verirrt hatten. Der Weg endet hier, doch es war keine Sackgasse, sondern ein stiller Hafen mitten im Wald. Sie haben gefunden, was sie nicht suchten und würden gern wiederkommen, hier eine Zeitlang Obdach finden.
- Der Nimmersatt und der Freßsack sind mir begegnet und erzählten mir von ihrem unstillbaren Hunger nach Leben und Liebe, von der Traurigkeit, daß Kuchen nicht satt macht, von der Sehnsucht wieder leicht zu werden und frei atmen zu können.
- Ein andermal kam mir die Konsumgierige mit dem gehetzten Blick entgegen, ständig zupften die Finger am Designerkleid herum und schließlich begann sie zu weinen, weil all die Dinge, die sie kauft, die Leere ringsum und vor allem das Loch innen nicht stopfen können. Wie glücklich sein müsse, wer eine so weite Wiese wie hinter dem roten kleinen Haus aushalten könne.
- Den Mehr-scheinen-als-sein hab ich getroffen, die Reifen an seinem Luxusschlitten waren alle platt. Er hockte daneben auf dem Wegmäuerchen und gab schließlich zu, wie gerne er selbst ein Rad wechseln können möchte, etwas mit den Händen schaffen, nicht immer das Rad schlagen müssen vor Leuten die einen vergessen oder einen einen aufgeblasenen Kerl schimpfen und neidisch herziehen, sobald man zur Tür hinaus ist.
- Dann einmal sah ich einen Mann, der stand unter einer Birke, hatte die Ärmel hochgerollt, befühlte seine Muskeln und als ich daherkam wurde er rot vor Scham. ‚Was nützt meine Kraftprotzerei, wenn ich schwach werde sobald es um die wirklich wesentlichen Dinge geht‘, hörte ich ihn murmeln, ‚und wenn ich mich vor etwas wie dem Holzspalten drücke, weil ich Angst habe, daneben zu hauen und schneller zu ermüden als der andere.
- Beim nächsten Mal kam mir eine Frau entgegen. Jedes Knacken im Dickicht ließ sie verschreckt herumfahren, sie ertrug die Stille nicht, redete ununterbrochen von ihrem Universitätsinstitut, von Kongressen zum Umweltschutz, von biologischen Experimenten, von lukrativen Strategien, die der Mensch nach Prinzipien der Natur optimieren sollte, daß man zum Beispiel die Selbstreinigungskraft der Lotosblüte für die Produktion beschichteter, schmutzabweisender Jalousien nutzten könnte. Als ich sie fragte, ob ihr hellrote Lotosblüten lieber sind oder dunkelrote, gestand sie mir, sie habe sie noch nie in freier Natur blühen sehen, denn sie fühle sich verloren in der Wildnis und habe solche Angst. Nur in ihrem Labor fühle sie sich sicher. ... nur wie lange, Stellen würden abgebaut.
- Ja, und dann der Herr in dem sündhaft teuren Anzug, den er sich durch einen Grasfleck verdorben hatte. Er lächelte verlegen und sagte, wieviel er darum geben würde noch einmal unbeschwert wie als Bub auf einen Baum klettern zu können, aber abgesehen von den lädierten Bandscheiben, er habe ja keine freie Minute und die Börse sei in Zeiten der Krise ein noch brutaleres Haifischbecken als sonst.“
- „Mh“ brummte der Hausherr, als der Mensch in der blauen Jacke schwieg, „ich war nur froh, diese unangenehmen Zeitgenossen rasch von hinten statt von vorn zu sehen. Und du meinst, sie haben hier etwas gesucht?“ „Vielleicht nicht gesucht, aber gefunden und das Verlangen nach dem einfachen Leben von hier mitgenommen“ entgegnete der Gast zögernd. „So hat es mir zumindest Frau Weisheit erklärt, von der ich dich herzlich grüßen soll und die dir ihren Segen schickt für – wie hat sie es gleich ausgedrückt? – ja, Segen, daß dein irdisches Paradies gedeiht, an dem du hier pflanzst und schaffst.“ „Oh, du hast Frau Weisheit getroffen? Sag ihr, sie ist jederzeit herzlich willkommen auf Svenserum, auch wenn ich gerade zur See bin. Ihr ist ja kein Schlüsselversteck verborgen. Noch schöner wäre es freilich, wenn wir uns wieder treffen könnten. Vielleicht im November schon? Wenn die Nebel ziehen wie die Gedanken. Auf der Bank mit dem Blick zur Espe mit der abgestorbenen Krone ist es dann schon zu kalt, aber am Feuer läßt es sich ja fast noch besser schweigen. Und du? Heute ganz ohne Gepäck, aber mit so viel Ruhe? Und das schlafende Kind?"
- „Du sorgst dich darum? Das Kind ist das Heimweh nach dem Paradies des Unbegreiflichen, ihr Menschen nennt es das Märchen. Ich gab es wieder einmal eine Zeit lang in der Obhut von Leben und Tod, nachdem ich mich selbst bei ihnen ausgeruht habe. Märchen schläft die Müdigkeit und Enttäuschungen der langen Wege durch die Welt weg, trinkt sich wieder am Wasser des Lebens satt und Leben und Tod lehren es Altes neu zu singen, erzählen und tanzen, wie sie mich, die Sehnsucht, immer neu sprechen und zuhören lehren. Willst du mitkommen, wenn Märchen und ich wieder in die Welt ziehen? Als erstes werden wir Frau Weisheit besuchen. Ein Musikant fehlt uns noch, dann sind aller guten Dinge drei. Und du denkst ja wie wir; die Gaben von Frau Weisheit kann man nicht kaufen und nicht verkaufen, wenn sie auch nicht umsonst zu haben ist, sondern oft ein ganzes Leben kosten. Schlägst du ein, kommst du mit – gastfreier Freund?“
- Die Sehnsucht hielt dem Hausherrn die Hand hin, legte ihm ihre blaue Jacke um die Schultern und...

21. Oktober 2009
Die zweite Erzählung

Heimweh und Sehnucht
- So einsam „Svenserum“ auch liegt, finden doch erstaunlich viele den Weg hierher. Bald nach dem bewegenden, wortlosen Sommerbesuch der alten Frau saß der Herr des roten kleinen Hauses spätabends noch auf der Bank. Da kam den Waldweg herauf ein Mensch in blauer Jacke und blauer Hose, im Arm ein schlafendes Kind. Er stutzte, blieb stehen.
- Zögernd folgte er dem einladenden Winken, kam näher, ließ den Rucksack von der Schulter gleiten, setzte sich schließlich, musterte den Hausherrn aus dem Augenwinkel, gab sich einen Ruck, legte ihm das Kind in den Arm, stand auf, zog die Jacke aus, bettete es hinein und deckte es – vorsichtig, um es nicht zu wecken – mit dem Halstuch zu.
- Dann ließ sich der Mensch daneben mit einem unterdrückten Stöhnen wieder auf die Bank sinken, band die Stiefel auf und zog sie von den geschwollenen Füßen. Kein Wort fiel. Unruhe ging von dem Menschen aus, fahrig strichen die Hände über die Knie, die Finger rieben eine Stoffalte. Stoßweise ging der Atem. Etwas wie spitze Nadeln hing in der Luft. Die Stille lastete. Nur der Schlafatem des Kindes kam und ging, leicht, hauchleicht.
- Immer wieder schauten die beiden auf der Bank zu dem vertrauensvoll schlummernden Geschöpf und harrten die ganze Nacht aus. Als es zu dämmern begann, stand der Mensch wieder auf, eckig und fahrig zugleich, schien etwas sagen zu wollen, drehte sich dann aber rasch um, ging barfuß zum Waldweg, löste sich auf in einem Morgennebelstreif. Die ersten Sonnenstrahlen stahlen sich durch die Baumkronen... Rucksack, Stiefel – das Kind, alles verschwunden.
- Der ruhelose, stumme Mensch in der blauen Jacke und der blauen Hose mit dem schlafenden Kind im Arm kam noch oft zur Lichtung. Wie oft? Da war keiner, der es hätte zählen können. Der Mensch ging jedes Mal barfuß ein paar tastende Schritte im Gras, trat unter die Bäume zurück, beschattete die Augen und ließ den Blick rundum schweifen. Jede Kleinigkeit nahm er wahr, das Licht, die Spuren der Jahreszeit, Tierlaute, Knacken im Unterholz, Blätterrascheln, das Fallen eines Zapfens, das gebremste Drehen des Windrades. Er sah einzelne, stehengebliebene Gräser sich neigen, er hörte die Zeit verrinnen und die Lichtung atmen. Jede Veränderung von menschlicher Hand bemerkte er, die Wände waren durchsichtig für ihn. Er sah den neuen Bretterboden im Stall und im Haus den Korb mit Holz, bereit zum Feueranzünden. Der Anflug eines wehmütigen Lächelns huschte übers Gesicht, als der Mensch das Windspiel vom Stallgiebel und einen vergessenen Apfel ins Gras fallen hörte. Hier war jemand daheim, er war es nirgends. Nie mehr traf er jemand an. Oder kam er nur, wenn das Haus stumm wartete wie er? Kurz rastete er jedes Mal auf der Bank, war dann plötzlich verschwunden.
- Eines Tages kam er wieder, an jenem pflaumenblauen Tag auf der Schneide, wo zum ersten Mal alles schattenlos durchsichtig offenliegt wie nur in der Zeit, wo das Herz des Sommers schon die ersten Schläge im Herbsttakt klopft und es nach Reifen und Fortziehen zu riechen beginnt. Doch diesmal trug der Mensch das schlafende Kind in einem umgebundenen Tuch und führte an den Händen ein Mädchen und einen Buben.
- Aus dunklen Fenstern schaute ihnen das kleine rote Haus entgegen. Das kleine Mädchen deutete mit dem Finger auf die große Wiese hinter dem Haus, die lag ganz im Hellen ... da arbeitete einer. Er setzte vier Stützpfosten für eine neu gepflanzte Linde. Deutlich war jeder Handgriff zu beobachten, selbst hier vom fernen Rand der Wiese, so klar war die Luft. Die Kleine schaute fragend hoch. Doch der Mensch hatte die Kinderhände frei gegeben und war fort. Neben ihr stand nur mehr ihr Bruder und runzelte nachdenklich die Stirn, eine steile Falte zwischen den zusammengezogenen Brauen. Dann drehte er sich entschlossen zu seiner Schwester und warf ihr den Ball zu, den er unter den Arm geklemmt trug. Hin und her flog der Ball und schließlich schlugen ihn vier kleine Fäuste so genau und wuchtig in Richtung des Mannes unter der Linde, daß der Ball hoch in die Luft flog, größer und größer wurde, zuletzt vom Aufprall aufplatzte und...

19. Oktober 2009
Wanderer zwischen Welten
(Hilde Domin)
- Weggefahren im Spätsommer, ankommen werde ich im Spätherbst, dazwischen liegen sechs Wochen mit viel Arbeit in einer anderen Welt die allerdings auch ihre klare Schönheit zeigen kann.
- Ja, auf eine Art bin ich schon zu einem Wanderer zwischen Welten geworden.
15. Oktober 2009
Eltern haften an ihren Kindern


- Spielt die Antwort denn wirklich eine Rolle?
14. Oktober 2009
Der Nase nach
- Die Nase spielt eine größer Rolle in unserem Leben, als uns meist bewusst ist. Das reicht von: „Ich kann Dich nicht riechen“ bis hin zu naseweis sein. Man kann sie in alles Mögliche stecken, und manches kann einem an der Nase vorbeigehen. Wir können sie dem anderen lang machen, oder selbst eine bekommen. Pinocchios Nase wurde für jede Lüge länger und einen Stüber können wir auch drauf verpasst kriegen.
- Wir können wirklich und sinngemäß drauf fallen und wir können ihr folgen. Laufen kann sie sowieso von alleine, triefen wie Nebel von Zweigen auch.
- Wir brauchen sie zum Schmecken und letztendlich auch zum Riechen.
- Und einen Geruch den ich für mich immer mit Svenserum verbinden werde, ist der Geruch von Rauch. Aber nicht irgendeiner, sondern der von Tannenholz.
- Das Haus riecht immer ein wenig nach Rauch, selbst wenn es wochenlang leer stand und den Sommer über nicht geheizt wurde Obwohl alles geputzt und gewaschen ist, so bleibt ein leichter Hauch in den Wänden sitzen und empfängt mich immer wenn ich nach den Wochen zur See die Tür aufmache. Es riecht ganz einfach nach "Svenserum".
- Am Anfang war der Geruch von einem Tannenfeuer recht ungewohnt für mich, denn meist wird ja Birke verbrannt. Und da ich ganz zu Anfangs wirklich Probleme mit dem Küchenherd hatte, so hat er mir öfter mal das Haus mit Rauch gefüllt.
Aber nicht nur im Haus, auch draußen kann es manchmal sehr nach Rauch riechen.
- Die hohen Bäume lassen je nach Wetterlage den Wind nach unten wirbeln, drückt den Rauch zum Boden, lässt ihn über die Lichtung schweben ehe er sich zwischen den Bäumen auflöst.
- So wird für den Rest meines Lebens der Geruch eines Tannenholzfeuers sobald er mir in die Nase steigt mich an "Svenserum" erinnern.
10. Oktober 2009
Heavy metal

8. Oktober 2009
Ausgeträumt
Es war weit oben im Norden, das Land heißt Laponia, wo ich auf diese Hausruine traf.
- Zurück aus dem weiten Land der Rentiere wo der Blick sich in der Ferne ausruhen durfte und die Seele in Ordnung kam nach 120 km Fußwanderung. Es waren nur noch sieben Kilometer bis zur ersten, kleinen Ortschaft und der Wald lichtet sich, machte einer Wiese Platz.
- Und da stand das Holzhaus, ein ehemals lebendiger Traum, jetzt schon längst vergessen und ausgeträumt, nur noch Erinnerung und selbst die verbleicht langsam, fällt in sich zusammen. Hier lebte mal eine Familie, Neusiedler die das Land geschenkt und steuerfrei zu Anfangs hier ihr Auskommen suchten um auch Nordschweden zu besiedeln.
Schwer war es hier Fuß zu fassen, denn die Wiesen waren karg, das Futter für die Tiere war immer eine Sorge. Fisch gab es im Überfluss, Kartoffeln wuchsen gut im Land wo die Sonne nicht untergeht im Sommer.
Aber es war hartes Brot, Wasser, obwohl reichlich vorhanden musste weit getragen werden, oft über hundert Liter am Tag im Winter für die Kühe. Ich kenne nur 20 Liter am Tag zu tragen auf „meiner“ Wiese, und schon das kann lange Arme geben.
- Als dann der erste Weg in dieser Gegend gebaut wurde um das Land besser zu erschließen, so weiß ich aus einer Erzählung „Frauen in weglosem Land“ dass die Kinder die sieben Kilometer auf Pfaden gelaufen sind, nur um einen Weg zu sehen! Und haben sich versteckt, sollte tatsächlich jemand dort unterwegs gewesen sein.
- Aber alle harte Arbeit reichte nicht aus, der Traum vom selbstständigen Leben war irgendwann um 1950 ausgeträumt und ohne Unterhalt, so zerfielen das Haus und die Nebengebäude schnell denn die Winter sind erbarmungslos hier oben.
- Sollte niemand meinen Traum vom einfachen Dasein auf der Lichtung aufgreifen, dann sieht auch für das Torp die Zukunft so aus.

- Es war schon einmal nahe daran zu zerfallen, bevor der vorherige Besitzer diese Stelle renovierte und ich seinen Traum jetzt auf meine Art selbst weiter träume und am Leben halte.
1. Oktober 2009
Wer bist Du?
Du warst der Erschaffer Deiner eigenen Welt in den vergangenen Stunden, so wie jeder Mensch sich seine eigene Welt letztendlich formt nach den Möglichkeiten und Erfahrungen die ihm gegeben sind und denen er teilhaftig geworden ist.
Ich bin Du!"
Wie selbstverständlich öffnete daher der Mann seinen Lodenmantel und genau so selbstverständlich nahm die Frau bei ihm Platz. Er schlug den weiten Mantel um sie, spürte die Wärme die von ihr ausging und...

Der Gesang der Elfe
Erst als er sich die Augen rieb bemerkte er, die Wolkendecke war aufgebrochen und der Mond richtete Strahlenbündel auf die kleine Lichtung, alles in ein unwirkliches Silberlicht tauchend wo nur zwei, in lange Mäntel gehüllte, Menschen noch am Feuer saßen.
