11. Dezember 2010

In eigenartiger Gesellschaft

Manchmal gibt es einen Riss zwischen den Welten der ab und an sehr deutlich zu erkennen ist gerade wenn die Sonne unter den Horizont taucht.

- Zur See kann zu dem Zeitpunkt ein grünes Licht aufblitzen, an Land ist es die Zeit wo die Kiefernstämme rot aufleuchten können. Es ist der Zeitpunkt wo es weder Tag noch Nacht ist und auch die Dämmerung noch nicht die Überhand über den Tag gewonnen hat.
Das ist die Zeit wo sich die Welt verwandelt und ich meine nicht nur vom Tag zur Nacht.

- Wie ich schon geschrieben habe, so werde ich oft kurze Zeit vorher aus unerfindlichen Gründen unruhig das sich aber immer mit dem Anbruch der Dunkelheit wieder legt.
Es ist einer dieser Spätnachmittage, die Sonne neigt sich schnell dem Vorhang den die Baumstämme auf der Anhöhe bilden entgegen, und ich kann zuschauen wie sich senkt um gerade, bevor sie verschwindet, noch einmal kurz aufzublitzen.


- Meist ist der Wald still zu dieser Zeit. Es ist als ob selbst die Natur den Riss zwischen den Welten bemerkt und lieber ruhig ist um nicht Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, denn zu dieser Zeit sind andere Wesen unterwegs in der Natur.
Die Temperaturen sinken schnell an einem klaren Wintertag und ich bleibe nicht mehr lange draußen, sondern suche mich in die Wärme am Küchenofen.

- Mittlerweile ist es dunkel geworden, aber ich will dieser Stunde nicht durch elektrisches Licht die eigenartige Stimmung nehmen die sich ausbreitet und verdichtet.
Während ich stillschweigend dem Feuer zuzuschaue ist mir als würden die Flammen meine Phantasie anregen, denn anders kann ich es mir nicht erklären, dass ich plötzlich das Gefühl bekomme, hier nicht alleine zu sein.
***
- Ich wende mich dem Ofen zu um ein neues Stück Holz nachzulegen als sich „jemand“ mir gegenüber an den Tisch setzt und einen „Guten Abend“ wünscht.
Ich schaue auf, sehe eine Gestalt in dunkler, einfacher, handgemachter Kleidung mir gegenüber, und ein paar funkelnde Augen unter dichten Augenbrauen sind alles was ich unter der Kapuze sehen kann.

- „Und wer bist Du?“ frage ich diese Gestalt die mir eigentümlich bekannt vorkommt.
„Oh, ich bin niemand anderes als Deine Einsamkeit“ kommt die Antwort mit wohlklingender Stimme unter der Kapuze hervor, „und ich dachte, ich leiste Dir heute mal Gesellschaft hier oben im Wald.“
Mit diesen Worten schlägt die Gestalt ihre Kapuze zurück und ein zeitloses Gesicht umrandet von einem dichten Haarschwall der bis weit über die Schultern fällt wird sichtbar während der flackernde Feuerschein es in dunkelglühende Bronze verwandelt.


- „Anno 2010 um 22 Uhr 10, so werfe ich nicht nur meine Kapuze ab wie Du siehst, sondern auch den Mantel der Einsamkeit.“
Im gleichen Augenblick höre ich knirrschende Schritte draußen, die Tür öffnet sich und eine ausgelassene Schar kommt in den kleinen Anbau, klopft den Schnee von den Stiefeln, streift die dicken Kleider und schweren Schuhe ab, tritt in die Stube. 

- „Darf ich vorstellen?“ fragt  „Einsamkeit“.
„Hier, sie mit den schwarzen Locken und gekleidet wie eine Zigeunerin heißt „Phantasie“.
Und dort, sie mit den verschmitzten blauen Augen ist die „Freude“ und ihre Krähenfüße um die Augen und den Mund kommen vom vielen munteren Lachen während ihre Cousine, die „Traurigkeit“ Falten ganz anderer Art hat.
Und er da mit den starken Armen und aufrechter Haltung ist der „Lebensmut“ gefolgt von seinem ständigem Begleiter „Übermut“ der oft nur eine Schrittlänge von ihm entfernt ist.
Und wer natürlich an solch einem Abend nicht fehlen kann, ist sie mit diesem schöngeschwungenem Amorbogen der, wenn sie will, so wunderbar küssen kann. Darf ich vorstellen „Muse“ wie sie leibt und lebt.
Er dort, der weißbärtige mit den vielen Falten auf der Stirn ist „Gedanke“ heute wie es scheint in Begleitung von „Witz“. Es ist er dort, der so flinke Augen hat, von einem Bein aufs andere tritt und für den es schwer ist still zu stehen.“

- Langsam füllt sich die kleine Stube immer mehr aber noch ist Platz denn es kommen mehr Gäste.

- „Ah, hier er mit den schweren Schritten, den hängenden Schultern,  ist der Bruder von „Lebensmut“. Man sollte es nicht glauben aber sie stammen aus einer Familie. Tritt ein „Schwermut“ auch wenn es Dir wie alles andere nicht leicht fällt. Gut dass Dein Rücken schon gebeugt ist, sonst würdest Du noch mit dem Kopf an die Decke stoßen, groß und klumpig wie Du bist.
Wie ich sehe, so ist sein Freund auch dabei, er dort mit den tiefen Falten und den hängenden Mundwinkeln. „Gram“ sein Name.

- Und so kommt es, dass  „Phantasie“ zur Begrüßung einen kleinen Tanz um mich führt, „Freude“ mich lachend umarmt und „Traurigkeit“ mir ein paar Tränen aus ihren Augen zuzwinkert.
 „Lebensmut“ schüttelt mir kräftig die Hand, “Übermut“ schlägt einen Purzelbaum und „Muse“ mit rotem Mund küsst mich gar  an diesem Abend.
 „Gedanke“ nickt mir abgemessen zu während „Witz“ mich mit breitem Lachen begrüßt. Nur „Schwermut“ schüttelt den hängenden Kopf während „Gram“ kaum seine griesgrämige Miene verzieht.

- Dann höre ich „Einsamkeit“ flüstern: „Hier, Kap Horn, kommen ein paar luftige Gestalten von denen niemand weiß ob sie Mann oder Frau sind“ und nickt hin zu zwei androgen-aussehenden Gestalten wovon die Eine hell, die Andere dunkel gekleidet ist.
Das sind „Glück“ und „Pech“, wovon „Glück“ immer gerne gesehen ist, „Pech“ fast verabscheut wird. Dabei kommen sie wie Du siehst Hand in Hand!
Und die Beiden die hinter ihnen kommen, die so lustig gekleidet sind, das sind „Narr“
mit der Schellenkappe und „Lebenskünstler“ mit dem breiten Hut und eigenwilligem Schnauzbart.

- Und während „Glück“ mich anstrahlt und es auf einmal hell in der Stube wird, so verneigt sich „Pech“ und ein Schatten huscht kurz durch das Zimmer.
Mit einem Kopfschütteln so dass die Schellen klingeln begrüßt mich  „Narr“ während „Lebenskünstler“ mit eleganter Bewegung seinen Hut vor sich schwingt.

- Ich schaue mich um und sehe, das Haus ist voll, sogar auf den Treppenstufen sitzt man und erst jetzt fällt mir ein: ich sollte den Gästen ja vielleicht einen Trunk anbieten.
Während man sich miteinander unterhält, mache ich mich zum Erdkeller davon um eine paar Flaschen Wein zu holen, höre von der Ferne Lachen und spüre dass eine gute Stimmung im Haus herrscht, die noch höher steigt als ich mit dem Wein zurückkehre.
Ich werde wie ein alter Bekannter empfangen und wir prosten uns wie Freunde herzlich zu.

- Die Zeit vergeht wie im Fluge, Mitternacht ist schon vorüber als es plötzlich dreimal abgemessen klopft und es schlagartig still wird in der Stube. Es ist als würden alle die Luft anhalten.
Eine große, kraftvolle Gestalt tritt mit federndem Schritt ein und ich stelle zu meinem Erstaunen fest, wie sich alle vor dieser imposanten Erscheinung verneigen.
„Das“ so flüstert mir „Einsamkeit“ ins Ohr, „das ist „Lebenswille“ der Macht über alle Anwesenden ausüben kann wenn im danach ist.“
Und so eine Kraft geht von dem Besucher aus, auch ich beuge mich um ihn willkommen zu heißen.
Plötzlich, wie auf ein gegebenes Zeichen, so werden die Stimmen wieder lauter, Lachen ist wieder zu hören, selbst die Gäste, die Dunkles mit sich brachten scheinen etwas von ihrer Schwere zu verlieren, das Fest wird immer ausgelassener und es ist wie ein tiefes, entspanntes Ausatmen das durch das kleine Haus geht.

- Wie lange es fortdauert weiß ich nicht. Wer schaut schon auf die Uhr, wenn die Stimmung fröhlich ist, die Gäste sich wohlfühlen, die Gläser nicht leer werden?


***

- Als ich wieder einmal vom Keller zurückkomme, wo ich war um Nachschub zu holen und gerade die Tür öffnen will, meine ich im Augenwinkel einen Schatten wahrzunehmen.

„Hallo Kap Horn“ höre ich eine tiefe Stimme hinter mir. „Ich denke ich bin der letzte Gast für heute in diesem kleinen Haus. Oder sollte ich sagen der letzte Besucher, denn ich war schon des Öfteren hier und war auch da immer der Letzte.

- Ich drehe mich zu der Stimme um und sehe eine Gestalt, ähnlich gekleidet wie „Einsamkeit“ aber der Umhang ist so schwarz, er unterscheidet sich kaum von der dunklen Nacht die plötzlich schwer über der Lichtung steht.
 „Ja, ich war schon ein paar Mal an diesem Platz. Einmal kurz vor Weihnachten so um 1870, dann oben auf dem Erdkeller, ich denke es war in den Sechzigern des 20sten Jahrhundert nach eurer Zeitrechnung.“
Nachdem ich mittlerweile einen Teil der Geschichte von „Svenserum“ kennengelernt habe, so dämmert es mir langsam mit wem ich da zu tun habe.
„Du hast mich richtig erkannt“ sagt mir die Bassstimme und das genügt für mich um zu verstehen: ich denke richtig.
„Aber geh, bring Deinen Gästen den Wein! Erzähl ihnen nicht von unserer Begegnung, es reicht dass sie den Atem anhielten als „Lebenswille“ anklopfte, denn sie wissen um mich, haben mich halb und halb erwartet. Verdirb ihnen nicht ihr Fest und behalte unsere Begegnung für Dich.
Ich wollte nur mal schauen, ob hier auch alles beim Rechten ist, und ja, es scheint mir so, denn Du bist ja nicht einmal vor mir zurückgeschreckt.
Wenn es Dir nichts ausmacht, so schaue ich immer wieder mal vorbei. Einfach so. Ich kann dir allerdings versprechen: beim letzten Fest, so bin ich todsicher mit dabei!
Doch das in der heutigen Nacht, das gehört Dir und Deinen „Geistern“.
Mit diesen Worten schlägt er seinen Umhang um sich, löst sich in der schwarzen Nacht auf und ist verschwunden..

- „Wie recht er hat!“ höre ich die Worte hinter mir weich und warm gesprochen, spüre ich wie sich eine Hand auf meine Schulter legt.
„Die Nacht gehört Dir und Deinen Geistern. Und zu denen gehört nun einmal auch dieser Dunkle der eben hier war und der meint, er hätte das letzte Wort.
Aber so ist dem nicht! Er bekommt es nur, wenn jemand ihm die Macht darüber einräumt.
Und Du hast wie jeder die Möglichkeit, ihm das mit meiner Hilfe zu nehmen.
Ich sollte mich vielleicht vorstellen: ich, Kap Horn, ich bin „Freiheit“, entfernt verwandt mit „Gedanke“ der ja auch bei Dir am Fest teilnimmt.

Ich drehe mich herum, aber es ist niemand zu sehen, die Lichtung liegt glitzernd in Schnee gebettet vor mir...aber ist sie nicht heller und weiter geworden?
Mit einem tiefen Durchatmen wende ich mich der Tür zu, öffne sie mit einem „Hier ist mehr Wein“,  trete in die Stube...

und werde im Schaukelstuhl vor dem fahlendem Feuer wach.


- Niemand ist da, ich bin alleine und es fröstelt mich leicht in der kälterwerdenden Winternacht die draußen den Schnee zum klirren bringt.
Ein wenig benommen schüttele ich den Kopf: „ Wie seltsam man doch träumen kann. Ich sollte besser ins Bett gehen, die Nacht ist weit vorgerückt.“ denke ich, als mein Blick auf den kleinen Handspiegel an der Wand fällt.


- Ein roter „Kussmund“ spiegelt mir entgegen...

***

6 Kommentare:

Pancho hat gesagt…

Hej Kap Horn,

ich war heute Nacht auf Svenserum !!

Ja Seebär ich wollte Dich vorher darum bitten, aber Du warst unerreichbar weit weg !

Dick eingepackt in einen alten Lodenmantel,die krempligen Stiefel vorsichtig in den klitzernden Schnee gestapft, die Wollmütze tief ins Gesicht gezogen, öffnete ich die Türe zu deinem Reich. Die Kerze am Küchenfenster spendete ein wohliges, warmes Licht, das sich in den Kacheln über der Spüle spiegelte. Im Herd sah ich die letzten Glutnester, die nach Nachschub verlangten und dein Holzstuhl mit dem braunen Kissen lud mich ein, Platz zu nehmen. Ich schüttelte mir den Schnee vor der Tür vom Mantel und hängte ihn an den Haken - die Stiefel gleich darunter. Schnell ein paar Scheite nachgelegt und gleich konnte ich das gleichmässige blubbern und knacken der Holzscheite bis in die heimelige Stube vernehmen. Das Glas Wein habe ich aus der Küche mitgenommen und setzte mich in den gemütlichen,oft beschriebenen Schaukelstuhl.
Es war mir gerade so, als hätte er sich ein bißchen bewegt. Ganz leicht nur, gewippt,nicht ruckartig geschaukelt. Das dunkle Schaffell ist auch etwas über den Sofarand gerutscht - aber außer den Lebensgeister im Herd ist es still und niemand leistet mir hier Gesellschaft.
Der Geist von Svenserum tut mir trotzdem gut!
Vergessen die Strapazen durch den hohen Schnee hierher, die eisige, kristallklare, trockene Luft - die beim Atmen die Lungen pfeifen läßt.
Die innere Ruhe hat mich bis in den letzen Winkel meines Körpers erfasst, hier fühl ich mich wohl und sicher,frei und allem Lebenswerten so nah....

Als ich die kleine Leselampe an der Wand hinter mir ausknipsen wollte, musste ich mich etwas zurücklehnen und den Arm ausstrecken um an den Schalter zukommen...
Aber anstatt, daß das weiße, helle Licht der Lampe erlosch - begann diese komische Energiesparlampe in meiner Nachttischleuchte so ganz langsam an Kraft und Helligkeit zu gewinnen und brachte mich zurück auf den Boden der Realität !
Nun bin doch ein wenig enttäuscht,
dass Träume nur manchmal wahr werden !

Viele Grüße, nichts für Ungut und eine friedliche Weihnachszeit wünscht Dir

Pancho

Schnegge hat gesagt…

Danke für diese Gänsehaut-Fabel, Käppi!

Die Schnegge

Kap Horn hat gesagt…

Hej Pancho und Schnegge

Was heisst hier Traum oder Fabel?

Der Kuss auf dem Spiegel sagt was ganz was anderes! ;-)

Konrad hat gesagt…

Toll, dass jemand noch so ausführlich und wohlüberlegt bloggt ...

Konrad

Kap Horn hat gesagt…

Hej Konrad

Jetzt war ich aber doch "platt" von Deinem Kompliment.

Danke fuer die "Blumen"!

Kap Horn

Anonym hat gesagt…

wunderbar! ich lese mich durch wie ein Roman.. nein wie ein Weihnachtskalender, von der Vergangenheit bis.. na welches Jahr haben wir? Hab ein bisschen geschummelt ;D Ein schönder Stoff den ich gerne lese und mir bildlich vorstelle. Ein tolles Talent hast du! LG, GH